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Tanguy Viel: Das Verschwinden des Jim Sullivan. Ein amerikanischer Roman, Wagenbach 2014, 128 S., 16,80€.

Wie funktioniert eigentlich ein typisch amerikanischer Roman? Diese Frage stellt sich der französische Sprachvirtuose Tanguy Viel:

Offen gestanden habe ich längere Zeit mit dem Gedanken gespielt, mein Buch würde so beginnen, mit diesem großen Abendessen, das alle Figuren zusammenführen und eine wahre Vorstellung von Amerika geben würde, denn mehrere Romane, die ich gelesen hatte, fingen genau so an, mit einer großen Szene, in der nichts geschieht, die es aber ermöglicht, alle einmal vorzustellen.“

Das Buch führt uns indes zu dem Alkoholiker Dwayne Koster, um die 50, der natürlich Hochschulprofessor für Literaturwissenschaften ist, denn auch „das war mir in den amerikanischen Romanen aufgefallen, stets ist eine Hauptfigur Professor an der Uni, häufig in Yale oder Princeton, jedenfalls an einer, die in der ganzen Welt einen klingenden Namen hat […].“ Dieser Dwayne Koster sitzt nun Brandy trinkend, depressiv und grübelnd, Jim Sullivan in Dauerschleife hörend, in seinem Wagen. Im Haus gegenüber hat seine (Ex-)Frau ein Rendezvous mit seinem Arbeitskollegen. Sein langsam aufgebautes Leben ist zerbrochen, er hat seinen Job verloren und nähert sich langsam dem Wahnsinn. Wie kam es dazu? Natürlich ist die Ehe mit seiner Frau an Langeweile zerbrochen, natürlich hilft sich Dwayne mit einer 30 Jahre jüngeren Studentin aus, die natürlich in einer typisch amerikanischen Bar arbeitet, natürlich ein kurzes, der Langeweile trotzendes, amouröses Abenteuer verspricht und natürlich geht alles schief. Am Ende verliert Dwayne seine Frau und verstrickt sich in kriminelle Machenschaften. Der Untergang eines amerikanischen Lebens ist vorprogrammiert.

Der Roman ist Hommage und Parodie amerikanischer Literatur und Musik gleichzeitig. Er bedient etliche Klischees (endlose Highways, Akademiker-Tristesse, leidenschaftliche aber oberflächliche Verwicklungen) so gekonnt und durchdacht, dass er als satirischer Spiegel, als Meta-Roman fungiert. Dieser spielt in Detroit als Sinnbild des Aufstiegs und Niedergangs Amerikas und des vielbeschworenen amerikanischen (Alp-)Traums und erinnert an die Literatur von Paul Auster, Philip Roth und insbesondere Christopher Isherwood.

Elegant und leichtfüßig führt Viel uns in eine eigentlich traurig-sinnbildliche Geschichte, die jedoch durch die heiter-lakonische Sprache den Leser schmunzeln lassen. Ja, man sollte nicht mit Superlativen um sich schmeißen, aber dieser humorvoll-raffinierte Roman kann als Meisterwerk tituliert werden. Eine Entdeckung!

Laura Rupp