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Wie fühlt es sich an, wenn einem nichts mehr im Leben geblieben ist? Wenn man nur Glück empfinden kann, wenn der andere schon fast am Boden liegt und du mit einem letzten Kinnhaken dein Gegenüber ausschalten kannst? Wie fühlt es sich an als Hooligan?

Der 30-jährige Schriftsteller Philipp Winkler beschreibt in seinem Debüt Hool das Innenleben eines Hooligans und landete prompt auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Zurecht.

Der Protagonist Heiko ist Mitte zwanzig und bereits vollständig auf der Verliererseite. Sein Vater ist Alkoholiker und seine Mutter verschwunden. Schon früh rutscht Heiko in ein Milieu hinein, das sich aus Fußball, Alkohol, Tristesse und vor allem Gewalt definiert. Während er in seiner Freizeit prügelt, arbeitet Heiko bei seinem Onkel im Fitnessstudio zwischen Nazis, Kampfsportlern, Koksdealern, Bikern, Bier und Anabolika. Eine deutsche Testosteronwelt ganz unten.

Heiko veranstaltet zusammen mit seinem Onkel sogenannte Matches. Zwei verfeindete Fangruppen, die sich mit unterschiedlichen Fußballvereinen identifizieren (in Heikos Fall Hannover 96) treffen aufeinander und prügeln sich so lange bis der Großteil der anderen Gruppe am Boden liegt. „Ein letzter Aufschrei. Der Wald verstummt. Dann prallen Körper aufeinander. Fäuste und Beine werden geschwungen. Ich seh noch Axel, wie er vom kölschen Pulk geradezu aufgesogen wird. Ein Kölner vor mir. ´Ne Faust kommt mir entgegen. Ich nehm den Schwung mit. Tauche unterm Schlag durch. Werf mich gegen ihn. Er fällt nicht. Zu stabil, der Ficker. Ist am Prusten.“

Während Heikos Freunde dieses „Hobby“ aus persönlichen Gründen immer kritischer sehen, kann Heiko keinen anderen Sinn, kein Vorwärtskommen in seinem eigenen Leben mehr sehen. Er will vielmehr irgendwann die Anführerrolle übernehmen, ganz oben:„ ,Ich habe null.‘ Er formt mit den Fingern einen Kreis, sagt: „nichts, das hier. Mehr nicht. Ich beschwer mich nicht darüber. Und weißt du, warum? Weil ich für das hier lebe.‘ “

Heiko ist weder sympathisch, noch besonders intelligent. Er ist eben derjenige, der morgens um 10 Uhr arbeitslos, mit einem Bier in der Hand an der Ecke steht und dessen Bild der Leser eindringlich vor Augen hat. Nicht zuletzt durch Heikos Stimme, die nichts beschönigt oder poetisch auflädt. Die Sprach ist rau und knapp. Vielleicht ist sie deswegen so authentisch.

Als Heiko mit seinen Freunden einen Hooligan aus Braunschweig zusammenschlägt, sein bester Freund durch die Rache fast sein Augenlicht verliert, die Familie weiter auseinanderdriftet und er (durch die Ermordung seines Mitbewohners) keine Bleibe mehr hat, könnte man meinen, dass der Roman nun dreht. Dass Heiko zu Sinnen kommt und sein Leben neu ausrichtet. Tut er aber nicht. Für ihn gibt es kein Licht am Horizont. Nicht jede (Lebens-)Geschichte kann eben ein Happy End haben.

Ein sehr eindringlicher, kraftvoller Roman!

Philipp Winkler: Hool, Aufbau 2016, 310 S., 19,95 €.

Laura Rupp